Die Behandlung des Schlaganfalls ▷ Therapie von Hirninfarkt und Hirnblutung
In diesem Artikel:
- Jede Minute zählt
- Behandlung bei einem Hirninfarkt
- Behandlung einer Hirnblutung
- Die weitere Behandlung in der Akutklinik
- Dauer des Krankenhausaufenthalts
- Rehabilitation
- Was beeinflusst die akute Behandlung eines Schlaganfalles?
Das Wichtigste in Kürze:
- Bei Schlaganfall-Symptomen zählt jede Minute für eine wirkungsvolle Therapie.
- Vor Beginn der Notfalltherapie des Schlaganfalls muss durch eine Bildgebung des Gehirns untersucht werden, ob ein Hirninfarkt oder eine Hirnblutung als Ursache der Schlaganfall-Symptome vorliegt.
- Keine Therapie kann einen Schlaganfall ungeschehen machen. Sie kann aber die Folgen begrenzen und die Erholung begünstigen.
Jede Minute zählt
In der Notfalltherapie eines Schlaganfalls muss sehr rasch untersucht werden, ob eine Gehirnblutung oder ein Hirninfarkt vorliegt. Allein aufgrund der Symptome, die ein Patient zeigt, ist diese Unterscheidung nicht möglich.
Die Diagnose wird durch eine Schnittbildgebung des Gehirns – entweder mithilfe der Computertomografie (CT) oder der Kernspintomografie (MRT/MRI) – gestellt. Erst danach ist es möglich, eine gezielte und sinnvolle Therapie einzuleiten.
Da in jeder Minute, in der eine Hirnregion nicht mit Blut und damit nicht mit Sauerstoff versorgt wird, Nervenzellen unwiderruflich zugrunde gehen, müssen die Weichen für die Akuttherapie des Schlaganfalls schnellstmöglich gestellt werden. (“Zeit ist Hirn”)
Die Behandlung bei einem Hirninfarkt / einer zerebralen Ischämie
Gerinnselauflösende Therapie (Thrombolyse)
Ziel der Thrombolyse ist es, schnellstmöglich die durch ein Gerinnsel in einer Hirnarterie gestörte Durchblutung wiederherzustellen. Durchblutungsgestörte Bereiche im Gehirn führen zu neurologischen Ausfällen.
Bei der Thrombolyse wird ein Medikament, welches Blutgerinnsel auflösen kann, über den Zeitraum von einer Stunde über die Vene verabreicht. Eine möglichst rasche Wiedereröffnung des betroffenen Gefäßes kann das Risiko für eine bleibende Behinderung nach einem Schlaganfall verringern.
Da als unerwünschte Nebenwirkungen dieser Therapie Blutungen sowohl im Gehirn als auch an anderen Stellen des Körpers auftreten können, ist die Thrombolyse in Abhängigkeit von Vorerkrankungen oder Blutveränderungen nicht für jeden Patienten geeignet und kann daher nicht immer durchgeführt werden.
Allerdings ist das Zeitfenster für diese Therapie eng: Die Thrombolyse ist für einen Therapiebeginn innerhalb von viereinhalb Stunden nach Auftreten der ersten Symptome zugelassen. Wird diese Therapie später durchgeführt, so ist ihre Wirksamkeit deutlich geringer und das Risiko einer Blutung in das abgestorbene Hirngewebe erhöht sich mit jeder Minute. Ursache hierfür ist die zunehmende Brüchigkeit der Gefäße im Bereich des Hirninfarkts und die Blutgerinnungshemmung durch das Lyse-Medikament.
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Mechanische Thrombektomie
Wenn ein sehr großes Hirngefäß durch ein Blutgerinnsel verstopft ist, kann die mechanische Thrombektomie als Behandlung infrage kommen.1 Hierbei wird ein dünner Katheter über die Leiste an die Stelle des Gefäßverschlusses gebracht. Mithilfe des Katheters kann das Gerinnsel dann vor Ort herausgezogen oder abgesaugt werden.
Diese Therapie sollte innerhalb von sechs Stunden nach Beginn der ersten Schlaganfall-Symptome geschehen, in seltenen Einzelfällen ist auch ein späterer Beginn der Therapie möglich.
Die Thrombektomie kann auch bei Patienten angewendet werden, für die eine Thrombolyse aufgrund von Begleiterkrankungen nicht möglich ist. Die Thrombektomie ist aber nur möglich, wenn der Gefäßverschluss auch technisch mit dem Katheter erreichbar ist. Bei Verschlüssen in sehr dünnen Gefäßen oder sehr weit in der Peripherie des Gehirns gelegenen Gefäßen ist sie nicht durchführbar.
Die Thrombektomie ist ein aufwendiges Verfahren, das nur von erfahrenen Spezialisten, den Neuroradiologen, durchgeführt werden kann und wird daher nur in entsprechenden Zentren angeboten. Patienten, für die eine mechanische Thrombektomie als Therapie infrage kommt, werden nach Beginn der Lysetherapie in ein entsprechendes Zentrum verlegt.
Kombination von Thrombolyse und Thrombektomie
Oftmals werden beide Therapien kombiniert, da insbesondere bei großen Gefäßverschlüssen damit ein wirksamerer Effekt erhofft wird.
Zunächst wird möglichst rasch die gerinnselauflösende Therapie eingeleitet und dann der Patient für die Thrombektomie vorbereitet. Besonders, wenn für die Thrombektomie eine Verlegung in ein Zentrum erforderlich ist, kann durch die Thrombolyse im Vorfeld bereits eine wirksame Behandlung eingeleitet werden, um die Zeit für den Transport zu überbrücken.
Blutverdünnende Therapie
Diese Therapie erhalten Patienten, die weder für eine gerinnselauflösende Therapie noch für eine mechanische Thrombektomie infrage kommen. Beispielsweise, weil sie bereits seit mehr als viereinhalb Stunden Symptome haben. Oder aber Begleiterkrankungen haben, die eine Thrombolyse unmöglich machen und/oder an einem für die Thrombektomie nicht zugänglichen Gefäßverschluss leiden.
In diesen Fällen erhalten Patienten in der Akutphase ein Medikament, das die Zusammenballung der Blutplättchen hemmt (Thrombozyten-Funktionshemmer). Dadurch sollen Patienten vor dem Auftreten einer erneuten zerebralen Ischämie geschützt werden.
Die Behandlung einer Hirnblutung
Die Behandlung einer Hirnblutung beruht auf zwei Prinzipien: zum einen sollte die Blutung zum Stillstand gebracht werden, falls es noch nicht von allein geschehen ist. Zum anderen muss versucht werden, negative Folgen für das umliegende Gehirngewebe zu vermeiden.
Konservative Therapie
Nicht jede Hirnblutung muss operiert werden. Insbesondere kleine Einblutungen in die Gehirnsubstanz können sich gut „von alleine“ wieder zurückbilden, ähnlich wie ein Bluterguss unter der Haut. Voraussetzung hierfür ist eine normale Gerinnungsfähigkeit des Blutes. Wenn diese durch Medikamente (“Blutverdünner”) verändert ist, z.B. durch Aspirin, so muss sie mit Medikamenten normalisiert werden. Zudem sollte verhindert werden, dass es zu einer Zunahme der Blutung oder einer erneuten Einblutung an anderer Stelle kommt.
Hauptrisikofaktor hierfür ist ein hoher Blutdruck, daher ist eine sehr strenge Blutdruckeinstellung mit Werten unter 140/90 mmHg anzustreben. In der Akutphase ist daher immer eine Behandlung auf einer Überwachungsstation nötig, um engmaschige Blutdruckkontrollen sicherzustellen, sowie eine anfangs zumeist intravenöse Gabe von blutdrucksenkenden Medikamenten einzuleiten.
Manche Hirnblutungen liegen auch so tief im Gehirngewebe, dass ein operativer Zugang sehr schwierig oder gefährlich für den Patienten wäre; in diesen Fällen müsste der Operateur sich den Weg durch viel gesundes Gehirngewebe bahnen und würde dieses dadurch schädigen, um überhaupt erst bis an die Blutung zu gelangen.
Operative Therapie
Bei größeren Hirnblutungen, die massiven Druck auf das umliegende Gehirngewebe ausüben, kann es erforderlich sein, die Blutung „auszuräumen“, also mittels Operation zu entfernen.2 Teilweise kann es auch nötig sein, mittels eines dünnen Schlauches (Katheter), der in die Hirnkammern eingelegt wird, Druck im Gehirn zu reduzieren, indem Blut oder Nervenwasser (Liquor) vorübergehend nach außen abgeleitet wird.
Liegt der Blutung eine Gefäßwandausbuchtung (Aneurysma) als Blutungsquelle zugrunde, so muss diese verschlossen werden. Je nach Ort, Größe und Beschaffenheit des Aneurysmas geschieht dies entweder dadurch, dass über einen Katheter Platinspiralen (Coils) in das Aneurysma eingebracht werden und dieses von innen „versiegeln“, oder durch eine Operation, bei der das Aneurysma von außen mit einem Titanclip verschlossen wird.
Die weitere Behandlung in der Akutklinik
Nach der akuten Behandlung in den ersten Stunden nach Aufnahme in der Klinik schließt sich eine weitere diagnostische Abklärung an, damit eine mögliche Ursache für den Schlaganfall gefunden werden kann.
Nur wenn man die Ursache kennt, kann für die Zukunft eine wirkungsvolle Therapie eingeleitet werden, die möglichst ein erneutes Schlaganfall-Ereignis verhindern kann (sogenannte Sekundärprophylaxe).
Dauer des Krankenhausaufenthalts
Die Dauer des Klinikaufenthaltes richtet sich danach, ob sich bei den weiteren Untersuchungen andere behandlungsbedürftige Erkrankungen zeigen oder ob eine Entlassung direkt in eine Rehabilitationseinrichtung erfolgt. Bei komplikationslosen stationären Behandlungen ist mit 3 bis 5 Tagen Krankenhausaufenthalt zu rechnen, bei erschwerten Behandlungsabläufen können auch 2 bis 3 Wochen erforderlich sein.
Rehabilitation – die Behandlung nach der Akuttherapie
Ein großer Teil von Patienten führt nach einem Schlaganfall eine Rehabilitationsbehandlung durch.3 Diese kann sowohl stationär in einer Klinik oder ambulant erfolgen.
Stationäre Behandlung
Eine stationäre Behandlung ist geeignet für Patienten, die intensive neurologische Rehabilitation benötigen und die durch ihre Schlaganfall-Symptome so beeinträchtigt sind, dass sie eine ambulante Therapie von zu Hause aus nicht durchführen können.
Zumeist wird die Dauer für zunächst 3 Wochen durch den Kostenträger (Krankenkasse oder Rentenversicherung) bewilligt, wenn jedoch weiterer stationärer Behandlungsbedarf im Anschluss besteht, kann eine Verlängerung beantragt werden.
Für ältere Schlaganfallpatienten mit reduzierter körperlicher Belastbarkeit und / oder vielen Vorerkrankungen besteht statt einer neurologischen Rehabilitationsbehandlung die Möglichkeit zu einer geriatrischen Rehabilitation.
Ambulante Behandlung
Eine ambulante Behandlung ist geeignet für Patienten, die sich selbst versorgen können oder eine entsprechende Unterstützung im häuslichen Umfeld haben. Es muss ihnen möglich sein, die Rehabilitationseinrichtung regelmäßig zu den vorgegebenen Terminen zu erreichen. Da der Patient in seiner gewohnten Umgebung ist, kann mit den Therapeuten sehr gezielt für die Aktivitäten des täglichen Lebens geübt werden, da unmittelbar ersichtlich ist, in welchen Bereichen noch Rehabilitationsbedarf besteht.
Egal, ob stationär oder ambulant: Rehabilitation ist für die Patienten „harte Arbeit“. Sie benötigen Willenskraft, Ausdauer und Fleiß, denn das Gehirn lernt nur durch ständiges Wiederholen. Oft geben die Therapeuten „Hausaufgaben“ für zu Hause mit. Und auch nach einer stationären Rehabilitationsbehandlung wird es für den Patienten mit ambulanter Therapie weitergehen.
Die Rehabilitationsbehandlung nach einem Schlaganfall dauert oftmals Monate, bei manchen Menschen sogar Jahre, denn auch nach längerer Zeit können noch Erfolge erzielt werden.
Was beeinflusst die akute Behandlung eines Schlaganfalles?
Zeit: Je schneller ein Schlaganfall erkannt wird und medizinische Hilfe geleistet werden kann, desto schneller kann eine zielgerichtete Therapie eingeleitet werden. Für den Patienten bedeutet das: Das Risiko für eine bleibende Behinderung nach einem Schlaganfall wird verringert.
Symptome: Die Schwere der Symptomatik ist wichtig. Patienten mit nur sehr leichter Symptomatik würde man nicht dem Risiko einer möglicherweise komplikativen Therapie aussetzen. Auch die Dauer der Symptome ist entscheidend: wichtig ist eine korrekte Angabe, wann die Symptome begonnen haben. Falsch und gefährlich für den Patienten ist es, eine Zeit zu „raten“, zu „spekulieren“ oder den Zeitpunkt des Auffindens des Patienten mit seinen Symptomen zu nennen. In unklaren Fällen muss dies dem behandelnden Arzt durch die Patienten, Angehörigen oder den Rettungsdienst auch so mitgeteilt werden. Andernfalls läuft der Patient durch eine mögliche, wohl gemeinte Therapie Gefahr, Komplikationen zu erleiden.
Ursache der Symptome: Nur wenn die Ursache der Symptome schnell und richtig diagnostiziert wird, kann die richtige Therapie gewählt werden.
Begleiterkrankungen und Begleitmedikation: Für die richtige Therapieentscheidung sind dies sehr wichtige Informationen. Die Einnahme einer blutverdünnenden Medikation sollte nie verschwiegen werden, ebenso sollte ehrlich angegeben werden, wenn die Medikamente eigenmächtig weggelassen worden sind. Tragisch wäre es beispielsweise, wenn der behandelnde Arzt davon ausgeht, dass stark blutverdünnende Medikamente eingenommen werden und daher eine Thrombolyse nicht oder erst mit Zeitverzögerung nach Kenntnis ausführlicher Blutgerinnungswerte durchgeführt wird.
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Autorin
Dr. med. Christina Rückert ist Fachärztin für Neurologie und Geriatrie und arbeitete mehr als 10 Jahre als Oberärztin an der Oberschwabenklinik in Ravensburg. Ihre berufliche Tätigkeit beinhaltete auch die stellvertretende ärztliche Leitung der Zentralen Notaufnahme. Seit Juli 2021 ist sie gemeinsam mit ihrem Mann – ebenfalls Facharzt für Neurologie – in eigener Praxis in Rothenburg ob der Tauber niedergelassen. Ein Schwerpunkt ihrer ambulanten Tätigkeit ist die Nachsorge von Patienten nach Schlaganfall. [mehr]
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Quellen
- Standards der Thrombektomie – Autoren: S. Peters, O. Jansen – Publikation: DGNeurologie volume 2, pages501–509(2019) – DOI: 10.1007/s42451-019-00122-3
- Guidelines for the Management of Spontaneous Intracerebral Hemorrhage – A Guideline for Healthcare Professionals From the American Heart Association/American Stroke Association – Autoren: J. Claude HemphillIII, Steven M. Greenberg, Craig S. Anderson, Kyra Becker, Bernard R. Bendok, Mary Cushman, Gordon L. Fung, Joshua N. Goldstein, R. Loch Macdonald, Pamela H. Mitchell, Phillip A. Scott, Magdy H. Selim, Daniel Woo – Publikation: Stroke. 2015;46:2032–2060 – DOI: 10.1161/STR.0000000000000069
- Rehabilitation nach Schlaganfall – Autoren: Knecht, Stefan; Hesse, Stefan; Oster, Peter – Publikation: Dtsch Artzebl Int 2011; 108(36): 600-6 – DOI: 10.3238/arztebl.2011.0600